Revolution in Letschin

Auch in Letschin und Umgebung erhoben sich Bürger 1848 gegen Unterdrückung und für Freiheitsrechte. Aufständische wurden verhaftet und die Gutsherren fürchteten, dass der »böse Volksgeist von neuem ermuthigt« werden könnte.

Revolution in Letschin
Neuruppiner Bilderbogen zur Revolution 1848 in Berlin

Was wissen wir über die Zeit der revolutionären Erhebung von 1848 in Letschin im Oderbruch? Fangen wir mit einem berühmten Namen an: Theodor Fontane. Der beteiligte sich (angeblich) in Berlin an den Barrikadenkämpfen auf Seiten der Revolutionäre und vertrat in Zeitungsartikeln jener Tage radikaldemokratische Ansichten. Fontanes Vater war seit 1838 Besitzer der Letschiner Apotheke – und ihm berichtete er nun – »mutmaßlich« – als erster von den Ereignissen des 18. März 1848, wie er sich in »Von Zwanzig bis Dreißig« erinnert.

In Chroniken des Ortes ist über das Folgende meist nur knapp die Rede. Manfred Gill zitiert einen namenlosen Chronisten mit den Worten: »Die Geister der ehrsamsten Bürger wurden aufrüherisch.« (aus: Letschin 1336-1986) Auf Gills Beschreibungen stützt sich auch Band V der Letschiner Chronik, »dass ein aufgeregtes Grüppchen sich vor der Kirche sammelte und den Pastor zum Läuten der Sturmglocke aufforderte«. Der aber weigerte sich, worauf sich die »Revolution« in Letschin zunächst auf den Pranger konzentrierte, das Halseisen, an dem früher Strafen verbüßt werden mussten, wurde abgerissen. Ein dann gestarteter Marsch eines Teils der Einwohner*innen von Letschin in Richtung Wollup, wo der Amtmann Johann Gottlieb Koppe residierte, soll dann auf halbem Wege in Höhe von Thomasloos aber wieder abgebrochen worden sein. »Die Revolution war für Letschin erst einmal beendet«, heißt es bei Manfred Gill. Allerdings sei einer der Anführer, Endert, später wegen »Landfriedensbruchs« zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt worden.

War Amtmann Koppe, wie es in Band V der Letschiner Chronik heißt, »ein redlicher und zu jedermann gerechter Herr«, weshalb auch der Marsch auf Wollup abgebrochen worden sein soll? Nun, im Lichte anderer Forschungen… In Volker Klemms Studie über »Das Revolutionsjahr 1848 im preußischen Regierungsbezirk Frankfurt« erfährt man es etwas anders – und genauer. Es wurden nach der »Revolution« von Letschin »auf Drängen« des für die Polizeiverwaltung zuständigen Koppe »eine Reihe von Personen festgenommen« und nach Küstrin transportiert. Später habe ein Gericht 1 Kaufmann, 5 Handwerksgesellen und 2 Tagelöhner »zu mehrwöchigen Gefängnisstrafen« verurteilt. Offenbar gab es zudem Gründe, dass Landrat Karbe sich veranlasst sah, »die Bewohner einzuschüchtern«. Er ließ im Kreisblatt mit Datum vom 17. April 1848 veröffentlichten, dass einige Einwohner »zu Letschin wegen tumultartiger Unternehmen verhaftet und nach Cüstrin transportiert sind, und ihrer gerechten Strafe nicht entgehen werden«. 

Auch mag die Tatsache, dass man  in Seelow »infolge dieser Unruhen« fürchtete,  dass es auch dort bei einem Jahrmarkt im April 1848 zu Tumulten kommen, und Polizeischutz erbat, das Ausmaß der Letschiner »Revolution« erahnen. Am 27. März 1848 wurden »einhundert Mann Infanterie und zwölf Ulanen« nach Gusow verlegt, nur wenige Kilometer von Letschin. Landrat Karbe wollte »durch die Anwendung möglichst strenger Maßregeln ein abschreckendes Beispiel« geben. Dort, in Gusow und Platkow, hatten am 25. März 1848 »einhundert Büdner und Landarbeiter« zuerst für Senkung der Pachten und Anhebung der Löhne demonstriert . Klemm spricht von einem »Zentrum« der regionalen ländlichen Unruhen im Frühjahr 1848.

Am 26. März 1848 forderten die Demonstranten »unverzüglich auf alle der Gutsherrin zustehenden Abgaben und Dienste der Untertanen entschädigungslos zu verzichten«, auch »die größeren Bauern« riefen nun nach mehr Transparenz der Ortsfinanzen. In Gusow und Platkow wurden zehn Aufständische verhaftet; die Polizei aber fürchtete, dass der »böse Volksgeist von neuem ermuthigt« werden könnte; doch die Militärpräsenz zeigte ihre reaktionäre Wirkung. Auch in Neuhardenberg und Langsow hatten einige Tage nach dem 18. März 1848 Bauern und Landarbeiter von ihrem Gutsherren verlangt, noch bestehende feudale Rechte aufzugeben. Graf von Hardenberg empfahl daher, die Soldaten für längere Zeit an Ort und Stelle zu belassen. 

Klemm bezeichnet die Unruhen in Gusow und Platkow als mit denen in Letschin »vergleichbar«; das dürfte sich sowohl auf die sozialen und demokratischen Forderungen wie auf den Fortgang der Proteste erstrecken. Ganz anders das Urteil in Band V der Letschiner Chronik: »Außer einigen Hitzköpfen, die Plünderungen und kleinere Aufstände anzettelten, waren die Oderbrücher königstreu und hielten von der Revolution nichts.« Theodor Fontanes Vater jedenfalls wollte die schließlich gescheiterte Märzrevolution aus allernächster Nähe erleben: Er reiste am 20. März 1848 nach Berlin, wo er am Morgen darauf ankam.