Rentierjäger und Burgunden
Das Oderbruch war bereits seit der Steinzeit besiedelt. Aus der jüngeren Bronze- und frühen Eisenzeit sind befestigte Siedlungen dokumentiert. Ein Streifzug bis zum Weggang der ostgermanischen Bevölkerung von Rolf Barthel.
Rentierjäger waren die ersten, die in der Nacheiszeit ab etwa 9000 v. Z. in die mit Tundra oder Waldtundra bedeckte Landschaft kamen. Nach einem für sie typischen Feuersteingerät werden sie als »Stielspitzengruppen« bezeichnet und als letzte Vertreter der Altsteinzeit betrachtet. Ein markanter Fundplatz liegt östlich von Buckow, bei Münchehofe, auf einer Sanddüne in einem Trockental. Es war offenbar die immer wieder aufgesuchte Winterstation einer Gruppe, die jeweils im Frühjahr mit den regelmäßig wandernden Rentierherden wieder nach Norden zog. Spuren dieser Jägergruppen fanden sich außerdem im Spreetal bei Berkenbrück und nahe der Oder bei Genschmar.
In der mittleren Steinzeit (zwischen dem 8. und dem 4. Jt. v. Z.), als sich die Landschaft wieder bewaldet hatte, lebten auch nur sehr verstreut Jäger und Sammler zwischen Oder und Spree. Im älteren Mesolithikum scheint die Landschaft völlig unbesiedelt gewesen zu sein. Erst aus dem jüngeren Abschnitt (etwa seit dem 5. Jt.) finden sich vereinzelt Siedlungsspuren, am dichtesten noch im Spreetal bei Fürstenwalde und Berkenbrück; erwähnenswert ist auch ein Fundplatz am Mühlenteich östlich Buckow. Auffälligerweise blieb das Odertal in diesen Jahrtausenden anscheinend fast unberührt.
Das änderte sich erst mit dem beginnenden Übergang zur Jungsteinzeit gegen Mitte des 5. Jt. v. Z., als Ackerbau treibende und viehhaltende Bauern aus dem donauländischen Raum dem Lauf der Oder folgend nach Norden wanderten und sich vor allem im unteren Oderraum ansiedelten. Spuren dieser frühneolithischen Bandkeramiker fanden sich auch in der weiteren Umgebung Frankfurts (stichband-keramische Funde bei Booßen und bei Niederjesar). Für einige Zeit lebten offenbar Jägergruppen und Bauernsippen gleichzeitig im Land Lebus, räumlich nicht allzuweit voneinander getrennt.
Der eigentliche Übergang zur Ackerbaukultur der Jungsteinzeit vollzog sich für die gesamte Landschaft aber erst relativ spät. Zwar fanden sich mehrfach Steingeräte (vor allem Äxte) aus den älteren Abschnitten des Neolithikums, aber sie werden als Besitz mesolithischer Jägergruppen gedeutet, die diese Geräte durch Raub oder Tausch von den schon bäuerlich wirtschaftenden Bewohnern anderer Landschaften (vor allem wohl des mitteldeutschen Raums) erworben hatten. Träger der Trichterbecherkultur, die ab Mitte des 4. Jt. wohl von Osten her einwanderten, ließen sich nur am Rand der Landschaft nieder (bei Fürstenwalde/Berkenbrück sowie zwischen Frankfurt und Klessin). Am Ende des mittleren Neolithikums (gegen Ausgang des 4. Jt.) scheinen die Träger der Kugelamphorenkultur, die ebenfalls von Osten kamen, auch die letzten Jäger und Sammler in die agrarische Wirtschaftsweise einbezogen zu haben. Die Fundstellen liegen vor allem im westlichen Teil der Landschaft, zwischen Trebus und dem Oderbruch, dazu etwas isoliert bei Wüste Kunersdorf.
Im Spätneolithikum, am Anfang des 3. Jt., drangen einige Gruppen der Niederlausitzer Schnurkeramik über die Spree nach Norden vor und siedelten im Raum zwischen Fürstenwalde und Falkenhagen. Vermutlich trafen sie in der Nachbarschaft noch auf Träger der Kugelamphorenkultur. Alle steinzeitlichen Perioden sind im Land Lebus nur recht spärlich vertreten, wenngleich es im Neolithikum am östlichen und südwestlichen Rand der Landschaft eine leichte Verdichtung gab.
Die Bronzezeit begann in Mitteleuropa etwa zu Anfang des 2. Jahrtausends v.Z., und schon früh drangen entlang der Neiße und Oder nicht nur Kultureinflüsse, sondern wohl auch Siedler aus dem böhmischen Raum nach Norden vor. Die frühbronzezeitliche Aunjetitzer Kultur ist im Land Lebus vor allem am Odertalrand mehrfach durch Fundplätze belegt. Meist sind es Gräber (bei Brieskow, Dolgelin, Seelow, Werbig, Neuhof zu Platkow), die eindeutige Funde erbrachten. Die Besiedlung blieb offenbar sehr dünn. Abseits des Odertals gehören nur Funde von Biegen, Friedrichshof zu Müncheberg und Dahmsdorf in diese Zeit.
Nach einer recht eindeutigen Siedlungsunterbrechung wurde die Landschaft gegen Ende der älteren Bronzezeit (ab etwa 1400 v. Z.) von Süden her neubesiedelt. Die Stämme der Lausitzer Kultur breiteten sich aus dem sächsisch-lausitzi-schen Raum nach Norden aus. Die markanten Keramikformen dieser Zeit waren durch die auffällige Buckelverzierung gekennzeichnet. Es gab somit eine eindeutige Abgrenzung vom Nordischen Bronzezeitkreis, dessen Einflüsse bis in den benachbarten Barnim reichten. Siedlungsspuren und Gräberfelder fanden sich verstreut über die gesamte Landschaft, wobei einige Stellen von der älteren bis zur jüngsten Stufe der Bronzezeit besetzt blieben (so bei Brieskow, Frankfurt, Kliestow, Treplin und Platkow); an anderen Stellen wurden ältere Siedlungsplätze aufgegeben und in einiger Entfernung neue begründet.
In der jüngsten Stufe der Bronzezeit (etwa 1000 - 800 v. Z.) deuten stilistische Besonderheiten der Keramik eine Aufgliederung der Lausitzer Kultur in verschiedene Gruppen an, wobei noch unklar ist, ob damit gesellschaftlich-strukturelle Vorgänge verbunden waren. Das Land Lebus gehörte zum Bereich der Aurither Gruppe, deren Siedlungsgebiet sich auffällig auf den Südteil der Landschaft konzentrierte und sich nur im Odertal weiter nach Norden (bis Podelzig und Platkow) erstreckte. Ansonsten setzte es sich östlich der Oder und nach Süden bis zum Nordrand der Niederlausitz fort. In dieser Phase entstanden die ersten urgeschichtlichen Burganlagen des Landes bei Lossow und auf dem Burgberg von Lebus. Sie umschlossen große, dicht besiedelte Flächen und Lassen darauf schließen, daß es zwischen den spätbronzezeitlichen Stämmen gelegentlich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam.
Die ältere (= vorrömische) Eisenzeit begann etwa um 700 v. Z. und erfaßte von Land Lebus zunächst nur einen Streifen in der Nähe des Odertals. Hier siedelten Tröger der früheisenzeitlichen Göritzer Gruppe, die oftmals die spät-bronzezeitlichen Wohn- und Bestattungsplätze weiterbenutzten, was für Bevölkerungskontinuität spricht. Im südlichen Teil des Landes scheinen Träger der Aurither Kultur noch eine Zeitlang neben den nördlicher verbreiteten »Göritzern« weiterexistiert zu haben, bis sich auch dort gegen Ende des 7. Jh. die neuen Kulturformen durchsetzten. Zum Bereich der Göritzer Gruppe gehörten auch Gebiete östlich der Oder und beiderseits der Warthe, in der Frühstufe schloß sie den unteren derraum, in der Mittelstufe das Oderland bis zur Neiße ein.
Das Land Lebus gehörte stets zu den Kerngebieten. Dabei konzentrierte sich die Besiedlung vor allem auf die Nähe des Odertals und griff nur wenig auf die Täler der Hochfläche über.
Von herausragender Bedeutung waren die beiden Burgen bei Lebus und Lossow, deren spätbronzezeitliche Befestigung in wesentlich stärkerer Art erneuert wurde. Die relativ großen Flächen woren offenbar kontinuierlich besiedelt. In der Lossower Burg fanden sich in größerer Zahl Opferschächte mit den Resten von Mensch- und Tieropfern; auch in der Burg von Lebus wurde ein Schacht mit einem Menschenopfer ausgegraben. Beide Burgen waren Zentren in dicht besiedelten Gebieten.
Gegen Ende des 5. oder zu Beginn des 4. Jh. v. Z. scheinen große Teile der »Göritzer« Bevölkerung abgewandert zu sein, während die verbliebenen geringen Reste etwa am Ende des 4. Jh. oder danach in der germanischen Jastorf-Kultur aufgegangen sein können. Darauf weisen einige Plätze hin, die für den jüngsten Abschnitt der vorrömischen Eisenzeit Funde der späten Jastorf-Kultur erbrachten (z. B. an mehreren Stellen bei Frankfurt sowie bei Platkow und Zelliner Loose).
Mit dem Beginn unserer Zeitrechnung fällt auch der Anfang der Römischen Kaiserzeit zusammen, die zugleich die jüngere Eisenzeit einleitete. Nach einem reichlichen Jahrhundert sehr spärlicher Besiedlung besetzten Germanen vorwiegend aus dem Elb-Havel-Raum im 1. Jh. u. Z. die Oderhänge und das Oderbruch, gerieten aber schon mit Beginn des 2. Jh. unter den Einfluß der östlich der Oder verbreiteten Przeworsk-Kultur, aus deren Bereich möglicherweise auch kleine Bevölkerungsgruppen in das Land Lebus einwanderten. Zugleich verlagerte sich die Besiedlung stärker auf die Hochfläche. Trotz einiger Zuwanderungen und Siedlungsverlagerungen ließ sich an mehreren Fundplätzen (vor allem wüste Kunersdorf, aber auch Seelow und Kliestow) eine kontinuierliche Besiedlung über zwei bis drei Jahrhunderte hinweg belegen, so daß man die germanische Bevölkerung dieses Gebiets mit den um die Mitte des 2. Jh. erstmals genannten Burgunden in Verbindung bringen kann, die zu den ostgermanischen Stämmen gehörten. Ihr Kerngebiet lag östlich der Oder. Von den Spree-Havel-Germanen (den suebischen Semnonen) trennte sie ein fast unbesiedelter bewaldeter Streifen, der sich vom nordöstlichen Barnim bis ins südwestliche Land Lebus erstreckte. Ein bemerkenswerter und weithin bekannter Fund aus dieser Zeit ist die Runenlanze, die 1865 in einem Kriegergrab bei Müncheberg-Dahmsdorf gefunden wurde und ins 3. Jh. zu datieren ist. Das Original ging 1945 verloren.
Seit dem 3. Jh. wanderten wiederholt Stammesteile der Burgunden nach Süden oder Südwesten ab, was sich auch im Abbruch einiger Fundplätze widerspiegelt. Manche Siedlungen bestanden noch bis in die ersten Jahrzehnte des 4. Jh., dann endeten auch sie. Ungeklärt ist, wie stark die Restbevölkerung war, die nach dem Abzug der Burgunden im Land verblieb. Aus der Völkerwanderungszeit (vom Ende des 4. bis zum Ende des 6. Jh.) gibt es kaum Funde, doch völlig leer war das Land offenbar nicht. Körpergräber, die etwa ins 4. Jh. zu datieren sind, fanden sich bei Lebus, Görlsdorf und Zernikow; drei Einzelfunde stammen aus dem 5. oder frühen 6. Jh. Für das Verbleiben einiger germanischer Gruppen im Land sprechen auch die vorslawischen Gewässernamen, die sich bis in die Gegenwart erhalten haben.
(aus: Rolf Barthel: Die Besiedlungsgeschichte des Landes Lebus, in: Cornelia Willich: Brandenburgisches Namenbuch, Teil 8. Die Ortsnamen des Landes Lebus, Weimar 1994.)